Die ewige und einzige Wahrheit über das Wesen von Clubs

Warum Oli Stumms Interview auch in 20 Jahren noch aktuell sein wird.

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Ein NZZ-Interview mit Oli Stumm über den Niedergang der Clubs und die gute alte Zeit macht momentan die Runde, und kaum ein Mensch merkt auf Anhieb, dass es sich dabei um ein Interview handelt, das bereits 11 Jahre alt ist. Das Interview ist heute so aktuell, wie es vor 11 Jahren war. Und wird es auch in 20 Jahren noch sein. Denn Clubs wird es immer geben genauso wie die gute alte Zeit.

Der Urheber der ganzen Aufregung ist Thomas Campolongo, Szenen-Veteran und früher bekannt als DJ 69 Pimp, dann – während des Pippilotti Rist Hypes – als DJ Pimpilotti . Auf der Suche nach was ganz Anderem stösst Campolongo auf das elf Jahre alte NZZ-Interview mit Oli Stumm, einem der bekanntesten DJs der Schweiz. Das Interview findet seinen Weg auf facebook, wo es sich vervielfältigt und immer weitere Kreise zieht. Lustig am Interview: Man merkt kaum, dass es elf Jahre alt ist. Das liegt daran, dass Clubs – egal ob sie an der Geroldstrasse oder sonst wo liegen – im Kern alle gleich funktionieren. Das war schon immer so und wird auch in 20 Jahren so sein. Zeit also für die ewige und einzige Wahrheit über das Wesen von Clubs:

Es gibt genau drei Gründe, weshalb man einen Club besucht.

  1. Weil man im Club selber oder im Umfeld von Clubs beschäftigt ist
  2. Weil man der Freund oder die Freundin von jemandem ist, der im Club beschäftigt ist
  3. Weil man poppen will. (Hauptgrund)

Niemand geht nur so aus Spass in einen Club. Um überhaupt in einen Club zu wollen, muss man sich erst einmal einsaufen. Um dann in den Club zu gelangen, muss man ein Geduldspiel auf sich nehmen, das meist mit Warten in der Kälte, Demütigung und/oder Pöbelei zu tun hat. Manchmal gibt’s auch Mord und Totschlag.

Ist man erst mal drinnen, ist es dringend nötig, sich weiter zu besaufen. Und zwar so lange bis Hammer und Amboss im Mittelohr den Steigbügel derart zur Schnecke gemacht haben, dass sich der Hörnerv allmählich taub stellt. Denn vorher lassen sich die 100 Dezibel kaum ertragen, die einem entgegenschlagen. Ausserdem hat man halbwegs nüchtern immer noch sozialen Unfug im Kopf, wie z.B. sich mit seinen Freunden zu unterhalten, die man unbedingt dabei haben wollte, um nicht wie ein verzweifeltes Mauerblümchen alleine in der Ecke rum zu stehen und lauwarmen Wodka in sich zu schütten. Das gäbe ein tragisches Bild ab. Ausserdem braucht man jemanden, der einem die Haare nach hinten hält, wenn man kotzen muss.

Hat man bei einer Unterhaltung auch nur den geringsten Anspruch auf zusammenhängende Sätze mit sinnmachendem Inhalt, ist ein Club dafür nicht geeignet. 3-Wort-Smalltalk geht grad noch. Doch die Motivation seinem Gegenüber immer wieder die gleiche Frage ins Ohr zu brüllen, um als Antwort ein debil lächelndes Nicken zu erhalten, nimmt schnell ab. Im gleichen Mass steigt die Lust auf sechs bis zwölf Drinks. Und irgendwann ist man dann so weit, dass einem alles scheissegal ist. Die Musik ist mit jedem Drink besser geworden und alle Hemmungen sind weggesoffen. Also nichts wie auf die Tanzfläche! Und während man den torkelnden Ausfallschritt in seinen ganz persönlichen Tanzstil verwandelt, kommt man fremden, schwitzenden Körpern näher, als man es ausserhalb des Geschlechtsakts je zulassen würde. Hat man sich dann genügend verausgabt auf der Tanzfläche, ist es Zeit, sich um das Kerngeschäft eines solchen Abends zu kümmern. Das Poppen. Nun gilt es, ein in Frage kommendes Objekt auszumachen, anzumachen und mit ihm abzumachen. Bei letzterem geht es dabei nur noch um Lokalität, Mobilität und Gummis. Wer so weit gekommen ist, macht, dass er schleunigst weg kommt, egal wie geil das Set gerade ist, das gespielt wird.

Wer leer ausgeht, geht weiter aus. Vielleicht spielt im nächsten Club ein toller DJ und man kann ein paar Tage später sagen: „He, Du häsch im Fall total öppis verpasst. Es isch sooo geile Sound gloffe, grad wo Du gange bisch!“

Wirklich erinnern kann man sich am nächsten Tag natürlich nicht. Schon gar nicht an den Sound. Und auch nicht daran, wann man die restlichen 300 Stutz ausgegeben hat. Man kann nur noch ahnen wie. Und das ist gut so. Denn hat man erst den Punkt erreicht, an dem man felsenfest davon überzeugt ist, man könne sich nüchtern saufen, stören Erinnerungen am nächsten Tag nur. Hauptsache man hat diesen Abend einigermassen schadlos überstanden. Körperlich, geistig und sozial. (Also unbedingt Mobile mit der Jacke an der Garderobe abgeben! Die Verlustgefahr verringert sich auf null und man kriegt es nach einer 24 stündigen Karenzfrist wieder, genau dann, wenn man wieder nüchtern genug ist um sich zu erinnern, wo man die Jacke vergessen hat. Dann ist auch die Gefahr des sozialen Selbstmordes mittels alkoholisierter mobiler Kommunikation gebannt.)

Fazit: Die meisten Menschen, die sagen, sie gehen in Clubs, um dort ihre Freunde zu treffen und gute Musik zu hören, lügen. Freunde trifft man im Restaurant, in der Bar, im Kino, zu Hause – irgendwo zwischen 40 und 60 Dezibel. Genauso abwegig ist es, in einen Club zu gehen, einzig um gute Musik zu hören. Die einzigen Gründe, die uns aus unseren freundlichen, sicheren Behausungen hinaus in die dunkle Nacht treiben und hinein in einen dröhnenden, feindlichen Raum voller Schweiss und Spasmen, sind Geld und Sex.

Erschienen am 23. November 2013 auf www.westnetz.ch