Die Schlagzeilen der Woche: King Roger gibt den Ball ab, Café Royal in Coffee Balls und Frau Balmer ist gestorben.

Der Zeitpunkt von Rogers Rücktritt ist ein bisschen suboptimal gewählt. Da wird einer nach 73 Jahren endlich König, weil seine Mutter gestorben ist und alle Augen sind auf den abtretenden King Roger gerichtet. Doch es kommt noch schlimmer. Die Menschheit ist sich einig: Roger ist nicht nur der King des Tenniscourts, sondern auch der King der Herzen. Das triggert den armen Charles so sehr, dass er komplett die Fassung verliert und unschuldige Füllfeder-Halter anmotzt. Die wackere Camilla bleibt indes gelassen: wer einmal der verhassteste Mensch eines ganzen Empires gewesen ist, für den ist ein täubelnder König, der im Begriff ist, seine Beliebtheitswerte in den Keller zu schicken, eine amüsante Abwechslung.

Café Royal heisst der Kaffee des neuen Kaffeesystems, das die Migros jüngst lanciert hat und über das sich der gesamte englischsprechende Raum schieflacht. Statt Kapseln werden nämlich sogenannte Coffee Balls verwendet, was auf englisch … ach schaut selber nach. Die Coffee Balls haben es bis in die Late-Night-Show von Jimmy Fallon geschafft, so weit hat es bisher noch kein Schweizer gebracht.

Und zum Schluss: Frau Balmer ist 96-Jährig gestorben. Sie hinterlässt Mutzi, den Wellensittich, eine beachtliche Sammlung an Konservendosen der Marke Bonduelle – die wertvollsten Stücke aus dem Jahr 1987 – und eine geräumige 3,5 Zimmer-Wohnung im Kreis 7. Bei Interesse bitte PM an mich.

Alles Wurst!

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Bild: la grande bouffe

Tagebuch, 30. Oktober 2015

Die WHO verteufelt uns die Wurst – das Fleisch schlechthin – und droht mit Krebs. Des einen Wurst ist des anderen Bier und ich trinke Wein. Doch jetzt wird bereits wieder „zurückgekrebst“ von Seiten der Panikmacher. In Massen genossen, ist alles gut. Ob das nun besser ist, dass in Massen genossen gut ist und über die Stränge geschlagen schlecht? Für mich nicht. Ich schlage gerne und viel über die Stränge. Eigentlich die ganze Zeit. Dafür rauche ich nicht, esse wenig Fleisch und trinke nur überteuerten Rotwein, wenn ich über die Stränge schlage, gemäss WHO. Das dafür fast täglich. Ansonsten schlage ich nie. Keine Tiere, keine Kinder. Noch nicht mal meinen Mann. Ich hab mal ein Plüschtier misshandelt. Es lag halt so da und hat geglotzt und ich war wütend. Also hab ich es in eine Ecke geschleudert. Das Tier hiess „Leu“ (dt. Löwe) und war ein Wolf. Kinderkram halt. Kinder schlagen übrigens oft, auch über die Stränge und strotzen vor Gesundheit. Aber ich schweife ab. Genuss bedeutet Masshalten. Die WHO gibt genaue Richtlinien heraus. Unter der Linie ist genussreiches, langes Leben, darüber ist Missbrauch und Verderben. Zum guten Glück gibt es noch die Tante, die jeden Abend eine Flasche Roten getrunken hat und 100 Jahre alt geworden ist. Oder den Grossvater, der nichts ausgelassen hat, weder trinken, noch rauchen, noch „fressen“ und mit 77 zwar früh, aber glücklich, kugelrund und auf einen Schlag gestorben ist. Das sind unsere Rettungsinseln.

Als Kind hab ich mal einen kleinen Leib Weissbrot aufgegessen, weil er mir leid getan hat. Er wäre sonst entsorgt worden und schmeckte doch so gut. Danach trank ich eine Flasche Mineralwasser mit Kohlensäure, weil ich unglaublich durstig war nach dem ganzen trockenen Brot. Damals galt Wasser mit Kohlensäure noch als gesund, genauso wie rauchen und Alkohol trinken. Mutti schüttete mir Aromat (Glutamat-Streuwürze) über jedes Gericht und Beutelsuppe war eine wertvolle Mahlzeit. Nach dem Weissbrot und dem Wasser ging es mir zwar ein bisschen überfüllt, aber gut. Nach heutigen Erkenntnissen, habe ich mich damals vergiftet. Die Frage stellt sich nun: sind die neueren Erkenntnisse die besseren? Oder ist gut, wonach man sich gut fühlt? Alles eine Frage des Masses. Sagt die WHO. Und das Masshalten ist alles eine Frage der Disziplin und die Disziplin ist eine Frage des Charakters und wer einen schlechten Charakter hat, der schiesst alle Empfehlungen in den Wind. Oder in den Windkanal der VW-Werke, die so sauber sind wie der Ökodiesel, der Palmöl enthält, wofür die Regenwälder brennen, so auch in Nutella, wodurch unsere Kinder dick und krebsgefährdet werden – doch halt! Nutella gehört zu den Guten! Nutella (Ferrero) lässt die Wälder nachhaltig niederbrennen, die Pestizide sind biologisch und die Arbeiter kriegen Geld fürs Leben und Sterben. Das Schlechte gibt es sowieso, also lasst uns das Beste daraus machen! Kommt noch jemand mit? Nicht? Gut so!

Bei der Zigarette kommen wir alle auf einen gemeinsamen Nenner: Tod auf Raten. Früher verstand ich immer „Tod auf Ratten“, was dann wahrscheinlich so viel wie die Pest bedeutet hätte. Aber früher war sowieso alles anders. Und besser. Und sowieso. Prost.

Die Magie der grossen Ferien

mamablog_ferienBild: Mate Marschalko, flickr.com

Die grossen Ferien stehen vor der Tür und mit ihnen ein riesiger Berg von Wünschen, verknüpft mit ebenso vielen Erwartungen. Spass wollen wir haben. Abenteuer erleben. Erholen wollen wir uns. Die Sonne soll scheinen. Im Wasser wollen wir uns abkühlen. Am liebsten im Meer. In einem fernen Land. Oder in einem nahen Land. Einfach an einem Ort, der anders ist als zu Hause. Anders als Schule und anders als Beruf, anders als Äpfel zum Znüni und Ghackets mit Hörnli. Anders als Alltag – so müssen Ferien sein. Das erklären wir auch unseren Kindern, zwei Mädchen, 6 und 8 Jahre alt, die schon wieder die Augen verdrehen. Wir versprechen ihnen, dass sie ihre Puppe mitnehmen dürfen und das Schlaftier und das Lieblingsgeschichtenbuch und die Kuscheldecke. Damit das mit dem Anderssein auch für die Kinder erträglich wird.

So fahren wir dann los, das Auto vollgepackt bis zum Rand. Die Fahrräder mussten auch noch mit – wofür haben wir sie denn. Auch die Nespresso-Maschine ist wie immer dabei, dazu 64 Volluto- und 28 Ristrettokapseln, schön abgezählt für jeden Tag. Und natürlich auch für jeden Tag die richtige Kleidung. All die letztjährigen Sommerkleider, die wir viel zu wenig tragen konnten, und all die brandneuen Sommerkleider, die wir extra für die Ferien gekauft haben. Im Ausverkauf, 3 für 2. Etwas für schöne Anlässe und etwas, wenn es praktisch sein muss. Und etwas für Regenwetter. Denn es gebe kein schlechtes Wetter, es gebe nur falsche Kleidung, sagt der Leiter des Waldkindergartens und nervt mich damit immer wieder. Für die Kinder packen wir von allem alles doppelt ein – so gehen wir auf Nummer sicher. Der Spass ist bestens vorbereitet, es kann nichts mehr danebengehen.

Ferien jetzt! Doch zunächst ist Stau auf der Autobahn. Bild: Robin Utrecht/ Keystone

Ferien jetzt! Doch zunächst ist Stau auf der Autobahn. Bild: Robin Utrecht/ Keystone

Auf der Reise werden die Kinder nonstop mit Walt Disney berieselt, damit die Idee von Langeweile und Quengelei gar nicht erst aufkommt. Und zeigt ein Kind trotz Elsa und Arielle doch Unmut, wird ihm mit Aussetzen auf der Autobahn gedroht. Das hilft immer. Oder auch gar nicht. Egal. Ferien jetzt!

Haben wir dann endlich das Ziel unserer Wünsche erreicht, richten wir es uns schön gemütlich ein für die nächsten 14 Tage. Der Kaffee schmeckt wie zu Hause, die Pasta sogar noch besser. Die Kinder essen jeden Mittag Pommes frites, während wir uns schon mal den ersten Wein genehmigen. Sind ja Ferien! Danach planschen wir im Pool. Alles schön sauber und hygienisch. Nebenan gibts einen Spielplatz, viele Kinder, professionelle Betreuung. Klappt wie am Schnürchen, fast wie zu Hause. Alles organisiert, alles entspannt. Hat auch genug gekostet.

Abends kommt manchmal ein bisschen Heimweh auf. Die Spielsachen, die zu Hause bleiben mussten, die einsame Katze, die Blumen im Garten, die Freunde. Walt Disney hilft. Und für uns ein Schlückchen Wein. Sind ja Ferien! Bald sind wir wieder zu Hause, und dann ist das hier alles nur noch Erinnerung. Schöne Erinnerung. Meist schöner als der Urlaub selbst.

Wieso tun wir das? Wieso fahren wir Jahr für Jahr im Sommer in den Urlaub? Für die Kinder? Unsere Kinder wollen nicht reisen. Sie haben kein Interesse an fremdem Essen, unbekannten Sprachen und andersartigen Bräuchen. Das Vertraute gibt ihnen Sicherheit. Ich glaube, unsere Kinder würden am liebsten zu Hause bleiben, sich fünf Wochen lang mit ihren Freunden verabreden und jeden Tag Pommes Chips und Glace essen. So sehen für sie perfekte Sommerferien aus. Unsere erwachsene Version von perfekten Sommerferien sieht dagegen so aus: weit reisen, viel Kultur, viel fremdes Essen und Trinken, viel Entspannung, wenig bis keine Kinder.

Es gibt zwei Gründe, weshalb wir trotzdem jedes Jahr zusammen in die Ferien fahren, die so eigentlich keiner will:

1. Wir tun es für die gemeinsam verbrachte Zeit. 14 Tage sind wir vier zusammen. An einem Stück. An einem Ort. Im Guten wie im Schlechten. Familie total. Denn nur fernab von zu Hause und ohne Fluchtmöglichkeiten können wir derart intensive Familienzeit zusammen verbringen. Auch wenn wir danach mit den Nerven am Ende sind, lohnt es sich.

2. Wir tun es für die Erinnerungen. Denn diese werden grossartig sein, nachdem das Gehirn alles Unangenehme herausgefiltert hat. Was bleibt, ist die Essenz der Sommerferien: Spass, Abenteuer, Erholung und Familie. Ein Leben lang. Und je älter wir werden, umso kostbarer werden diese Erinnerungen für uns sein. Wir holen sie hervor und freuen uns daran, wenn diese Zeit schon lange vorbei ist. Sie stecken in unseren Genen und werden von Generation zu Generation weitergegeben und mit neuen Ferienerinnerungen angereichert.

Darin liegt die Magie der grossen Ferien.

Erschienen am 10. Juli 2015 auf Mamablog. (Die Kommentare sind übrigens auch lesenswert, wenn auch fernab vom Thema.)

Was ist eigentlich mit Dir los, Mann?

Was passiert mir dir, wenn du in die Krise kommst? Wie geht das vor sich? Von heute auf morgen, von 0 auf 100? Päng! Krise da. Oder eher schleichend und unbemerkt und dann bringt irgend etwas Unbedeutendes das Fass zum Überlaufen? Eine Erinnerung an früher – zum Beispiel beim Aufräumen?

Muss man sich das so vorstellen: Du räumst den Schreibtisch auf und findest alte Fotos, eine Platte, Erinnerungen. Du legst die Platte auf und mit den ersten Takten katapultiert dich die Musik zurück in die Zeit, als ein jeder Moment ein neuer, unbekannter war, der einem irgendwohin auf der Welt führen konnte, denn die Welt war eine einzige Reiseroute ohne Grenzen. Freundschaften waren für die Ewigkeit gemacht oder auch nur für einen Sommer. Und die Liebe…die Liebe war pure Verheissung, Herzklopfen, Abenteuer. Eine betörende Frau, mit der man Sex hatte, ein blütenfrisches Wesen, mit dem man etwas erleben konnte, ein unverbrauchtes Gefühl, das einem meistens glücklich machte. Und manchmal todtraurig. Dazwischen nichts. Die Liebe war auf keinen Fall eine Beziehung. Und schon gar keine Routine. Und dann war da noch die Zukunft. Sie war die Einladung zur gigantischsten Party deines Lebens. Und du hattest lebenslang freien Zutritt dazu. 24 Stunden, 365 Tage.

Fühlt es sich so an, wenn du an früher denkst? Und was ist dann schief gelaufen?

Du bist nie hingegangen, an die Party deines Lebens. Du hattest anderes vor. Die Karriere, das Auto, die Beziehung, das Haus. Und dann kam die Zukunft aus der Mode, niemand ging da mehr hin. Alle blieben lieber zu Hause in ihrem selbstgebauten Nest. Bei ihren schwangeren Frauen. Es würde immer wieder eine Party stattfinden, irgendwann, später. Dann kamen die Kinder und mit ihnen die Angst. Die Party war jetzt endgültig vorbei. Für immer. Und Du hattest Verpflichtungen, lebenslang, 24 Stunden, 365 Tage.

Oh je, du hast also das Gefühl, du hättest etwas verpasst. Was machst du jetzt damit?

Wenn du heute in den Spiegel schaust, dann siehst du einen alternden Mann. Irgendetwas ist geschehen in den letzten 25 Jahren, das du nicht kontrollieren konntest. Du siehst Falten und graue Haare und gelbe Zähne. Und dann ist da noch dieser Bauch, der bezeugt, dass essen und trinken zum Sex deines Alters geworden sind. Du fällst einen Entscheid. Du möchtest den Jungen wiedersehen, der immer noch in dir steckt. Es ist noch nicht zu spät! Also trimmst du dich auf jung. Du achtest auf deine Ernährung, trinkst kaum mehr Alkohol und machst Sport. Viel Sport! Es wird gebleached, gefärbt, geschnitten. Die alten Jeans passen wieder, die Lederjacke, das Motorrad – alles noch da, alles im Schuss. Du lässt dir ein Tatoo stechen – das wolltest du schon immer! Es ist ohne jede Bedeutung, aber es sieht gut aus. Du schaust wieder in den Spiegel und was du siehst, ist gar nicht so übel. Das kommt deinem inneren Jungen schon verdammt nahe!

Ist es bis hierhin in etwa so gelaufen? Fehlt noch etwas?

Dann kommt deine Frau herein und stellt sich neben dich. Sie sieht sehr gut aus – für ihr Alter. Getrimmt, gebleached und gefärbt steht sie neben dir und strahlt dich an. Du kennst sie schon eine Ewigkeit und genau so lange liebst du sie schon. Sie ist deine beste Freundin und die Mutter deiner Kinder. Mit ihr wolltest du alt werden. Doch jetzt, da du beschlossen hast, wieder jung zu sein, kannst du sie nicht gebrauchen an deiner Seite. Sie weiss es nämlich. Sie weiss alles. Dass du schon alt bist und dass du einen enormen Aufwand betrieben hast, dies zu vertuschen. Sie weiss, dass du manchmal im Bett weinst, wenn dich die Enttäuschung über dich und dein Leben übermannt. Sie weiss, dass du Schiss hast, vor dem Leben das noch vor dir liegt und dem Tod, der am Ende lauert. Sie weiss, dass du dich klein und unbedeutend und schwach fühlst. Sie weiss, dass du es verkackt hast, dein bisheriges Leben und dass du auch die andere Hälfte, die noch vor dir liegt verkacken wirst, weil du ein Versager bist. Sie weiss wahrscheinlich auch, dass sie ohne dich gut zurecht kommen wird. Sie weiss alles. Und das macht dich wahnsinnig.

Hast Du überhaupt je so weit gedacht oder hast du dich einfach nur elend gefühlt?

Da gibt es diese junge Frau. Sie weiss nichts. Sie findet dich einfach toll. Sie hört dir zu, was auch immer du sagst. Sie gibt dir Raum und Zeit so viel du willst. Alles unverbindlich und Spass und ohne Agenda. Der Sex haut dich um. Die Leidenschaft verzehrt dich. In dir erwacht der Junge zum Leben. Er beginnt zu fühlen wie damals, zu lieben wie damals. Das Leben pulsiert kraftvoll durch deine Adern und nichts ist so real, so richtig und wahr, wie dieses Gefühl. Du verlässt deine Frau, deine Kinder, dein Nest und ziehst zu deinem Jungbrunnen. Sie schmiegt sich an dich wie ein Kätzchen und schnurrt. Und plötzlich stehst du wieder auf der Gästeliste der gigantischen Party und es sieht so aus, als wäre das die zweite Chance für dich, um doch noch daran teilzunehmen. Dass du nur als ihre Begleitung auf der Gästeliste stehst, weil das nämlich ihre Party ist und nicht deine, interessiert dich nicht. Genausowenig wie der Umstand, dass ganz im Verborgenen eine neue Verpflichtung auf dich zukommt, eine Verpflichtung gegenüber dem Kätzchen. Das Kätzchen ist genauer betrachtet eine junge Frau. Mit einem eigenen jungen Leben, in das du hineingetrampelt bist. Die junge Frau hat eigene Träume, eigene Vorstellungen von der grossen Party. Und wenn du sie nicht verlieren willst, wenn du nicht wieder zurück in dein altes, verkacktes Leben möchtest, solltest du besorgt sein, dass sich ihre Wünsche erfüllen. Eine Karriere, ein Heim, eine Familie vielleicht? Zurück zum Start.

Fühlst du dich jetzt besser oder schlechter als vorher oder einfach nur anders?

Wenn nach der Party der Kater einsetzt und dir alle deine alten Knochen im Leib schmerzen, wenn du deine beste Freundin vermisst, die jetzt genau wüsste, wie du dich fühlst, die genau wüsste, was zu tun und zu sagen wäre, damit es dir wieder besser geht, wenn das Kätzchen neben dir zu kratzen beginnt, weil du nicht mehr magst, nicht mehr kannst, nicht mehr willst, dann könnte es sein, dass auch deine beste Freundin nicht mehr mag, nicht mehr kann und nicht mehr will, weil sie nämlich gelernt hat, sehr gut ohne dich zurecht zu kommen. Weil du ihr nichts zu bieten hast ausser Scherben. Und weil auch sie ein eigenes Leben und eine eigene Party zu feiern hat. Und genau in diesem Augenblick wird dir bewusst, dass du dein Leben wirklich verkackt hast. Nur hast du jetzt kaum mehr eine Wahl. Die Welt war noch nie so klein für dich. Wie du dich auch entscheidest – du bleibst alleine.

Aber aus Schlechtem geht auch oft Gutes hervor.

Vielleicht ist das ja die Chance, dich endlich mal mit dir selber zu beschäftigen. Deine Krisen und Zwänge bei dir selber zu suchen und deine Ängste anzugehen. Vielleicht wird so aus dir ja mal noch ein prächtiger älterer Herr, ein echter Freund und liebevoller Partner. Jemand, den man gerne an seiner Seite haben will, den man sogar wieder zurücknehmen will. Wer weiss.

Ich denke an meine Freundinnen, an Bekannte und Verwandte, die mir ihre Geschichten erzählt haben. Ich denke an mich, die ich glücklich verheiratet bin mit einem lieben Mann, so wie es die Freundinnen, Bekannte und Verwandte auch gewesen sind. Und mich packt die kalte Angst. Es kann jeder Frau zu jedem Zeitpunkt passieren, dass sie ein Opfer der Midlifecrisis ihres Mannes wird. Wir können nichts dafür oder dagegen machen, denn es hat im Grunde nichts mit uns zu tun, ausser dass wir die Leidtragenden sind.

Man sollte euch die Kommentarspalten wegnehmen!

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„Das hätte sie sich besser vorher überlegt!“

Die #regrettingmotherhood-Bewegung wurde in sämtlichen Medien breit diskutiert und die Beiträge heftigst kommentiert. Eigentlich habe ich mir den Vorsatz genommen, keine Kommentare mehr zu lesen, es sei denn, sie betreffen meine eigenen Artikel. Da das Thema #regrettingmotherhood aber mich selber betrifft, habe ich meinen Vorsatz gebrochen und die Kommentare zu den verschiedenen Beiträgen gelesen. Ein Fehler.

Das Kommentieren wird einem sehr einfach gemacht: ein Name und eine email-Adresse eingeben, und schon ist man dabei. Die Daten werden nicht überprüft. So kann jeder unter einem Pseudonym und mit falscher email-Adresse kommentieren – was die meisten auch tun. Und anonym lässt es sich besonders gut Dampf ablassen. Bei einem stark polarisierenden Thema wie #regrettingmotherhood, wo sich Frauen getrauen zu sagen, dass sie es bereuen, Mutter geworden zu sein, gehen die Emotionen ungebremst hoch. Ein riesiger Haufen Wut, Scham, Angst und Verunsicherung prallt mit aller Wucht auf jene, die sich in Empathie üben. Da wird beleidigt, verflucht und beschimpft. Hier ein paar der harmloseren Kommentare, die im Zusammenhang mit Artikeln über unzufriedene Müttern besonders oft fallen und an Dummheit kaum zu überbieten sind:

„Diesen Müttern sollte man die Kinder wegnehmen“.

Im Prinzip gut durchdacht! So wäre den Müttern und den Kindern geholfen! Auch die Väter hätten sicher nichts dagegen, wenn die Kinder wegkommen, wieso auch? Die Logistik macht hier allerdings Probleme: abholen, zwischenlagern, weitergeben. Leider ist die KESB im Moment gerade mit anderen Problemen ausgelastet. Und der Staat ist immer noch mit Reparationszahlungen an die ehemaligen Verdingkinder beschäftigt, weshalb er es mit der Schaffung eines neuen Falles im Moment grad nicht so eilig haben wird.

„Es gibt genügend Frauen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als Kinder zu haben und keine bekommen können.“

Was für eine raffinierte Verknüpfung zweier verschiedener Bereiche zum Thema Muttersein! Und die Lösung liegt auf der Hand: Die eine will und kann nicht, die andere hat und will nicht – also rüber mit den Kindern! Sieht nach einer win-win Situation aus, doch auch hier könnte es an der Umsetzung hapern. Pragmatische Lösungen sind gefragt. Zum Beispiel die Schaffung einer online-Vermittlung: ebaby. Darauf könnte ein Vermittlungsantrag so aussehen: „Wegen regretting motherhood abzugeben an unfruchtbare Frau: 2 Kinder, vintage Jahrgänge, top Zustand, geliebt, geimpft und entwurmt.“

„Wieso haben diese Frauen überhaupt Kinder gemacht?“

Das ist jetzt einfach. Weil Angela und Babs und Corinne auch Kinder haben und total glücklich sind damit, auch wenn sie jetzt wieder rauchen. Weil alles eine Frage der Organisation ist. Und des Geldes. Weil es zwar anstrengend ist, aber das Grösste in einem Frauenleben. Vergleichbar mit der RS bei den Männern, nur 18 Jahre länger. Weil sich jede normale Frau Kinder wünscht. Dafür ist nämlich die Gebärmutter da. Weil das Leben immer hält, was es verspricht. Und sonst kommt es dann schon gut, irgendwann. Weil Lebenspläne immer aufgehen, wenn man sie nur schön genug zeichnet. Und nicht zuletzt: weil Sex geil ist und abtreiben scheisse.

„In diesem Fall wäre lügen besser. Wie wird es diesen Kindern wohl gehen, wenn sie einmal davon erfahren…!“

Offenbar ist Kinder anlügen eine höhere Tugend, als offen zu seinen Gefühlen zu stehen. Und da Kinder dumm und gefühllos sind, werden sie auch nicht merken, dass ihnen ihre Mutter jahrelang etwas vorspielt. Hauptsache sie müssen sich nie mit der unangenehmen Wahrheit auseinandersetzen, dass ihre Mutter sie zwar geliebt hat, aber Mühe mit dem Muttersein hatte. So wird das Bild der hingebungsvollen Mutter nicht beschädigt und die Kinder können dieses edle Gut zusammen mit dem diffusen Gefühl, dass irgendetwas in ihrer Familie nicht gestimmt hat, ihren eigenen Kinder weitergeben.

„ … Wir (Männer) müssen jeden Tag von früh bis spät ins Büro arbeiten, um die Familie zu ernähren. Das ist auch nicht immer lustig! … Und dafür erhalten wir keine Liebe!“

Nun ja, mit Geld abgespiesen zu werden, kann einem schon gehörig zusetzen. Aber in diesem Fall muss ich sagen: Solchen regretting Businessmen sollte man den Job wegnehmen. Oder besser noch, man sollte solchen Männern den Lohn wegnehmen. Und sie dann für die nächsten 18 Jahre für einen unbezahlten Job ohne Aufstiegsmöglichkeiten verpflichtet – DAS ist nicht lustig!

Je suis Kollateralschaden

Kollateralschaden

Das Thema „Attentat auf Charlie Hebdo“ ist langsam durch. Die Attentäter sind tot, die Aufregung legt sich. Viele Charlies kehren wieder zu ihren eigenen Namen zurück. Doch niemand wird die Namen der Toten vergessen, denn sie waren Charlie. Oder etwa doch? Kann man etwas vergessen, das man gar nicht kennt?

Zur Erinnerung hier die Namen der Toten vom 7. Januar 2015: Bernard Maris • Jean Cabut • Georges Wolinski • Bernard Velhac • Stéphan Charbonnier • Philippe Honoré • Franck Brinsolaro • Ahmed Merabet • Elsa Cayat • Frédéric Boisseau • Michel Renaud • Mustapha Ourrad

Natürlich können wir uns diese Namen auf die Schnelle nicht merken. Nur die vier Karikaturisten nennen wir vertraulich bei ihren Künstlernamen: Cabu, Wolinksi, Tignous und Charb, als würden wir sie schon lange kennen. Auch wenn wir grad keine einzige Karikatur den Namen der Zeichner zuordnen können. Mohammed Karikaturen halt. Und auch andere. Jesus, Papst, Holland – Satire! Was das Magazin halt so macht. Oder machte, davor. Charlie Hebdo kennen wir natürlich gut und haben auch sofort nach dem Attentat die Seite von Charlie Hebdo auf facebook geliked. (Charlie Hebdo – ist das der Name des Gründers des Magazins? Schnell auf Wikipedia – ach so, ja klar – Charlie Braun und Hebdo – logisch! Hätten wir eigentlich wissen müssen.) Obwohl wir das Magazin vorher nie wirklich in Händen gehalten haben. Kriegt man das überhaupt in der Schweiz? So richtig vor Augen hatten wir es auch nie. Ist ja auch alles französisch und die Themen sind uns nicht so geläufig. Ausser natürlich die Mohammed Karikaturen. Die hatten wir schon einige Male vor Augen. Wie wir die damals beurteilt haben, fällt uns jetzt gar nicht mehr ein. Wahrscheinlich fanden wir sie toll. Vor allem die von Cabu und Charb. Und Wolinsky und Tignous und Honoré, die waren einfach – toll! Ist ja auch egal, was wir damals fanden. Menschen sind dafür gestorben! Und für die Pressefreiheit und die freie Meinungsäusserung. Für uns Journalisten, Texter, Autoren, Karikaturisten, Intellektuelle….ja, und auch für all die anderen. Wir sind direkt betroffen. Und diese Betroffenheit steht uns richtig gut. Sie bringt uns ein bisschen näher zu den Helden von Charlie Hebdo, die in der Redaktion gestorben sind. Nous sommes Charlie. Totale Identifikation. Totale Solidarität. Charlie Hebdo und sein Werk muss verteidigt werden. Es geht um unsere Freiheit. Eine Kritik an den Karikaturen, eine andere Meinung, eine unsichere Stimme – feige, unwahr und armselig! Zusammen kreischen wir die Ungläubigen nieder und klopfen uns gegenseitig auf die Schultern. Die guten Publikationen werden gelobt, die bösen Zeitungen gebrandmarkt. Im Namen der Freiheit. Je suis Charlie.

Charlie Hebdo wird weiterleben. Es wird eine neue Ausgabe geben in einer Auflage von 1’000’000. Werte bleiben erhalten. Wer in Zukunft die Mohammed-Karikaturen machen soll, ist ungewiss, sind ja alle tot. Irgendjemand wird wohl den Mut dazu aufbringen müssen, denn ohne Mohammed-Karikaturen kein siegreicher Charlie Hebdo. Der Job verspricht Ruhm, wenn auch post mortem. Vielleicht einer der Journalisten, Texter, Autoren etc, die den ganzen Mut, die ganze Wahrheit und Moral verinnerlicht haben? Kein freiwilliger Charlie mehr da? Sind alle wieder zu ihren eigenen, weniger ruhmreichen Identitäten zurückgekehrt. Ein bisschen verkatert noch, der eine oder die andere, aber wieder ganz bei sich selbst.

Die ganze Aufregung ist vorbei, schon heute. Vielleicht schauen wir noch schnell in die nächste Ausgabe des Charlie Hebdo und dann nie wieder. Vielleicht nicht mal das, denn wenn wir ganz ehrlich sind, interessiert uns Charlie Hebdo nicht. Hat er noch nie so richtig. Irgendwann klicken wir auf der Charlie Hebdo-Facebook Seite auf „gefällt mir nicht mehr“. Merkt ja keiner. Hat auch keiner gemerkt, dass uns der Tod von Bernard Maris, Jean Cabut, Georges Wolinski, Bernard Velhac, Stéphan Charbonnier, Philippe Honoré, Franck Brinsolaro, Ahmed Merabet, Elsa Cayat, Frédéric Boisseau, Michel Renaud und Mustapha Ourrad kalt gelassen hat. Genauso wie der Tod der vier Geiseln, die im Zusammenhang mit der Erschiessung der Attentäter umkamen. Wir kennen keine Namen. Einfach nur Geiseln. Keine Information ob Mann oder Frau, alt oder jung. Es ist nicht einmal bekannt, wie und durch wen sie umgekommen sind. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Jüdischer Lebensmittelladen. Wahrscheinlich Juden, die nicht für die freie Meinungsäusserung gestorben sind, sondern für Matze. Keine Projektionsfläche für Heuchler. Nur Kollateralschaden.

Je suis Kollateralschaden.

Mein erster Vorsatz im neuen Jahr: Wie Schneewittchen sein!

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Schneewittchen hat verdammt gut aussehende Stiefmütter.

Gedanken zum Jahreswechsel, Teil 1

3. Januar 2015

Zur Weihnachtszeit werden alle je verfilmten Märchen am Fernsehen gezeigt und zwar ohne Anspruch auf Qualität der Verfilmung oder pädagogischer Wert. Ich habe mir heuer praktisch alle diese Filme reingezogen, ausser „Drei Nüsse für Aschenbrödel“, den haben wir schon den ganzen Sommer auf DVD angeschaut, weshalb er für mich etwas an vorweihnachtlichem Zauber eingebüsst hat. Auf Libuše Šafránkovás (Aschenbrödel) Gesicht musste ich jedoch nicht verzichten, sie taucht immer mal wieder als Prinzessin in den Filmen der DEFA Studios auf. Das kann zu Verwirrungen führen. Vor allem im Film „die kleine Meerjungrau“, wo plötzlich das Aschenbrödel auftaucht und der kleinen Meerjungfrau den Prinzen vor der Flosse wegschnappt. So richtig leid will einem die feenhaft zarte Meerjungfrau mit den riesigen Opferaugen nicht tun, auch wenn sie von Libušes jüngeren und bedeutend schöneren Schwester verkörpert wird, neben der das Aschenbrödel wie ein Bauerntrampel dasteht. Aber das Aschenbrödel ist eben eine tadellose Identifikationsfigur, was man von der kleinen Meerjungfrau nicht behaupten kann. Libuše Šafránková ist heute um die 60 und sieht immer noch genau gleich aus wie damals mit 19. Unterdessen hat sie auch durchaus ernstere Rollen gespielt und das mit Erfolg, doch alle werden in ihr immer nur das Aschenbrödel sehen.

In den Märchenpausen habe ich über das Bloggen nachgedacht. Vor gut einem Jahr habe ich meinen ersten Blog geschrieben und damit die Rolle des zynischen Miststücks gefasst. Ein Jahr und etliche Texte später frage ich mich, ob ich noch weitermachen soll. Bloggen hat doch sehr viel mit Selbstbefriedigung zu tun und zwar in der Öffentlichkeit. Es gibt viele, die bei dem Egogewixe gerne zuschauen und fleissig liken. Eine Zeit lang. Aber irgendwann wird jeder Blog mal langweilig. Jeder. Der Hund, der Party macht und zu viel konsumiert. Die Frau, die den Namen einer Tasche trägt und Rat-Schläge erteilt. Das Pony, das zu jedem Thema etwas total Sympathisches zu wiehern weiss und der Mann, der als einziger weiss, wovon er schreibt, weil er als einziger immer direkt betroffen ist. Diese Blogs erschienen mir am Anfang alle lustig, geistreich, bereichernd. Und am Ende sind es im besten Fall doch nur die unterhaltsamen Ergüsse eines einzelnen Egos aus der Sicht seiner eigenen, beschränkten Welt. Spätestens wenn das Recycling einsetzt, ist der Blog für mich gestorben.

Ich könnte jetzt sagen: bloggen ist nur ein Ventil für mich, um Druck abzubauen. Psychohygiene. Die Kommentatoren, die Trolle, die Likes und Klicks – sind mir alle Wurst. Spätestens nachdem ich mich zum fünften Mal in 20 Minuten dabei ertappe, wie ich nur mal schnell einen Blick auf die Statistik meines Blogs werfe und mir dabei innerlich die Schüsse abgehen, wenn die Zahlen nach oben schnellen, weiss ich, dass dem nicht so ist. Ich blogge nur für mein Ego. Meine eigene kleine narzisstische Persönlichkeitsstörung will genährt werden und das geht mit einem Blog besonders gut.

„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die meisten Klicks im ganzen Land.“ Obwohl die böse, eitle Königin immer eine grössere Anziehungskraft auf mich ausgeübt hat als das grenzdebile Schneewittchen, sollte ich mich wohl doch eher von der dunklen Seite der Macht abwenden und ein bisschen mehr wie Schneewittchen oder Aschenbrödel werden: mich nicht von rotbackigen Äpfeln verführen lassen, fleissig und demütig sein, jeden Spiegel meiden und mich um meine Zwerge kümmern. Ein prima Vorsatz fürs Jahr 2015.

Weshalb deine Mutter nie deine beste Freundin sein kann

Eine total subjektive und unvollständige Liste:

  • Mit deiner Mutter über die körperlichen Zeichen des Älterwerdens zu jammern, ist in etwa das gleiche, wie mit einem Tetraplegiker über Muskelkater zu reden: es ist gemein. Steht sie jedoch über der Tatsache, dass Schönheit in ihrem Alter grösstenteils von innen kommt, wird sie sich vollkommen ehrlich über deine Cellulite, deine Falten und deine hängenden Brüste äussern. Das kommt dann hammermässig fies und eifersüchtig rüber.
  • Du wirst im besten Fall nur einmal mit deiner Mutter über Sex reden können: bei der Aufklärung. Nie wirst du ihr kichernd über den krummen Riesenpenis von letzter Nacht berichten können. Nie von den peinlichsten Momenten und den wildesten Fantasien. Sie will das nicht hören. Genauso wie du nicht wissen willst, wie sich dein Vater im Bett anstellt oder mit wem er gerade betrogen wird.
  • Deine Mutter ist lieber mit Frauen ihres Alters, ihrer Reife und ihres Interessenkreises eng befreundet, als mit dir.
  • Deine Mutter wird Zeit ihres Lebens versuchen, dich zu erziehen. Wenn du also Scheisse baust, wird sie dich tadeln. Wenn du irgend etwas Unwichtiges gut gemacht hast, wird sie unglaublich stolz auf dich sein. Eine angemessene Reaktion auf dein Handeln kannst du vergessen.
  • Wenn du ein Arschloch heiratest, verlierst du auf einen Schlag alle deine besten Freundinnen. Deine Mutter wird bleiben.
  • Wenn du deiner Mutter stundenlang von deinen Beziehungsproblemen vorjammerst, um ein bisschen abzuladen, wird sie dich beschützen wollen und dem Mann/der Frau einen Schlägertrupp hinterherschicken. Ausserdem wird sie ihm/ihr nie verzeihen, auch wenn du schon lange nicht mehr weißt, worum es eigentlich gegangen ist.
  • Deine Mutter hat als einzige das Recht, dich zu verprügeln, wenn du des Mordes angeklagt wirst. Das enthebt sie dem Status der Freundin. Sie wird jedoch deinen Unschuldsbeteuerungen glauben, auch wenn sie noch so absurd sind. Deine Mutter wird dich trotz allem im Gefängnis besuchen kommen. Als einzige.
  • Wenn es dir einmal so richtig dreckig geht, weil du alles falsch gemacht hast, alles verbockt, alles verloren, dann öffnet dir nur noch deine Mutter die Türe. Nicht weil sie deine Freundin ist und dich versteht, sondern weil sie als Mutter nicht anders kann.
  • Deine Mutter wird immer ein bisschen ein schlechtes Gewissen dir gegenüber haben, das gibt’s gratis bei der Geburt zusammen mit der Liebe. Instinktiv weisst du das und nützt es auch aus.
  • Deine Mutter ist deine Mutter ist deine Mutter ist deine Mutter (frei nach Gertrude Stein)

 

 

Ein Besuch im Märchenhotel in Braunwald kann sich lohnen. Wenn man starke Nerven hat und auf Grenzerfahrungen aus ist.

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Der Aquariumlift – eine nette Idee, für die, die sich unter Wasser und in kleinen, geschlossenen Räumen wohl fühlen. Bildquelle: http://www.maerchenhotel.ch

„Ferien wie im Märchen“ – was soll man darunter verstehen? Den ganzen Tag schuften und hungern, im Wald ausgesetzt werden und von kannibalischen Hexen in einem Käfig gemästet werden? Nicht ganz meine Vorstellung von entspannten Ferien. Was man sich hingegen unter einem Aufenthalt im 4-Sterne-Märchenhotel in Braunwald vorstellen kann, habe ich unterdessen herausgefunden. Auch nicht ganz meine Vorstellung von einem entspannten Aufenthalt.

Ich habe für mich und meine zwei Mädchen im Alter von 5 und 7 Jahren ein Familienzimmer mit Halbpension für CHF 350.– /Nacht gebucht. Im Preis inbegriffen sind diverse Aktivitäten für die Kinder und ein über 9 Stunden betreuter Kindergarten. Ausserdem stehen ein Gameraum, ein Kletter-Hüpfzimmer, eine stockwerkübergreifende Indoor-Rutschbahn, überhaupt überall Rutschbahnen, Spielplatz mit Tieren, Kletterwände, Innen- und Aussenpool und und und zur freien Verfügung. Den Namen „Märchenhotel“ hat sich das Hotel zugelegt, weil jeden Abend um 18 Uhr ein Märchen erzählt wird. Für Kinder wird hier alles getan, Erwachsene werden freundlich behandelt.

Die Idee, sich hier als Erwachsener eine schöne Zeit zu machen, während die Kinder sich irgendwo im Hotel austoben, scheint naheliegend, geht allerdings nur teilweise auf. Bereits zur Begrüssung erhielten die Kinder ein Glas Sirup und ich den Zimmerschlüssel mit einem riesigen Zwerg als Schlüsselanhänger und einen gespritzten (!) Prosecco. Der Weg zu unserem Zimmer führte am vollbesetzten Kinderwagenparkplatz vorbei zum Aquarium-Lift. Ein Lift, der umgeben von Aquarien mit darin lebenden Fischen ist und somit meine schlimmsten Phobien bedient: Unter Wasser zu sein UND in einem kleinen geschlossenen Raum ohne Fenster. Den Kindern zu liebe habe ich mich trotzdem überwunden und bin damit gefahren. Die erste Grenzerfahrung. Zum guten Glück war der Lift am Ende des Tages defekt.

Zimmer und Bad waren geräumig und gut ausstaffiert mit Bademänteln, FlipFlop für die Kinder, Badelatschen, grosser TV, Minibar. Dem Innendekorateur oder der Innendekorateuse sollte allerdings ein Weilchen immer aufs gleiche Auge gehauen werden zur Strafe für grausames Design. Meine Mädels fandens schön. Sie waren bereits ziemlich aufgedreht, warfen glucksend ihre Sachen in eine Ecke und rannten los, um das Hotel zu erkunden. Ich seufzte erst mal laut und warf einen Blick in die Minibar. Die war bis oben hin aufgefüllt mit Wasser und Süssgetränken, aber ein Bier suchte man darin vergebens. Also runter ins Hotel. Dort traf mich der grosse Schock. Kinder überall. Rennend, kriechend, hüpfend und vor allem: schreiend. In der Luft hing das säuerliche Parfüm von Sabber, jugendlichem Fussschweiss und Kinderfurz. Die wogende Menge wurde durch aufpassende Elternposten an den Rändern zusammengehalten, die mit Märtyrermiene Befehle schrien, die niemand hörte. Irgendwann konnte ich in der Hüpfburg meine eigenen Kinder ausmachen, die mit hochroten Köpfen auf- und abhüpften als könnten sie nicht anders. Sie schienen glücklich.

Ich war es weniger beim Betreten der Bar. Einem trostloseren Ort bin ich selten begegnet. Der Warteraum des Bahnhofs Forch ist ein kuschliger Servicetempel im Vergleich zu der personalfreien Kaltzone, die durch überlaute Radiobeschallung die Illusion von menschlicher Anwesenheit zu simulieren suchte. Sogleich wurde ich zur Abstinenzlerin. Hielt aber nicht lange.

Dann kam das Erlebnisbad mit Tarzankletterparcour und 20 Meter langer Rutsche dran. Das Wasser war wohltemperiert bei 32 – 34 Grad, alles neu renoviert und sauber – hier gab es nichts auszusetzten. Ausser bei der Rutsche, deren defekte Ampel immer auf rot stand, was in Kinderlogik übersetzt bedeutete: immer grün. Wer sich keine Beule bei der Massenkollision holte, stiess sich den Kopf während der rasanten Fahrt an der Röhre. Die Fliegengewichte wurden herumgeschleudert wie Segelbötchen im Sturm und die Schwergewichte holten sich einen brennenden Hintern. Für mich und meine Phobien bedeutete die Fahrt durch die dunkle Röhre mit fliessendem Wasser drin und Feuer am Hintern die nächste Grenzerfahrung. Für ältere Kinder ohne Phobien ist die Rutsche jedoch sicherlich ein grosser Spass.

Das Märchen um 18 Uhr wirkte wie Ritalin auf die Kinder. Um 18.15 fand das Kindernachtessen in einem separaten Kinderesssaal statt. Das sollte dazu dienen, dass die Eltern später ungestört dinieren konnten. Leider funktionierte das nur bedingt und Kindergeschrei begleitete auch das Nachtessen. Das 6-Gang-Menue, das von 18.45 bis 20.00 (!) aufgetragen wurde, war durchschnittlich bis gut. Da ich ganz alleine speiste und das auch noch in aller Ruhe tun wollte, fiel ich durch die Maschen des Hotelkonzeptes. Gleichzeitig mit dem Glas Champagner, das ich mir als Apero bestellt hatte, wollte man mir in Windeseile das ganze Nachtessen auftischen. Man war sich hier Herunterschlingen gewohnt. Die Aufforderung, angemessene Kleidung im Esssaal zu tragen, wurde nur von einer Person befolgt – von der einsamen Champagnertrinkerin in der hintersten Ecke. So stöckelte ich dann aufgehübscht zwischen resigniert gekleideten Adilettenträgern und verschmierten Kleinkindern zum Salatbuffet und war mir plötzlich bewusst, dass ich in punkto Erziehung wohl doch das eine oder andere richtig gemacht hatte. Leider hielt dieses Bewusstsein nicht sehr lange.

Im Anschluss an das Kindernachtessen begann das Kinderkino. Leider sind meine Kinder nicht sehr hart im Nehmen, was die Pädagogik von Disney Filmen anbelangt, weshalb ich sie nach einer Stunde aus dem Kinderkino evakuieren musste, weil der Horror sie übermannt hatte. Mein Nachtessen war damit beendet und wir gingen aufs Zimmer. Vor 23 Uhr schlief jedoch niemand, weil die Eindrücke einfach zu stark waren. Am nächsten Morgen waren wir alle drei unausgeschlafen und schlecht gelaunt. So schlecht gelaunt, dass ich das Morgenessen mit der künstlichen Kuh, aus deren Euter man Milch rauslassen konnte, besser nicht mehr beschreibe.

Fazit: Das Märchenhotel in Braunwald ist für die Kleinen das Grösste. Eine echte Alternative stellt allerdings ein Besuch im Alpamare dar. Schont Budget und Nerven und passt ganz ins Konzept „Spass für die ganze Familie“.